Die Umsetzung einer gebrauchten Orgel in den kleinen Probensaal der Musikschule Pliezhausen hätte man schnell und ohne weiteren Aufwand bewerkstelligen können, doch dieses Unterfangen entwickelte sich mit Kreativität und Mut zum Experimentieren zu einem ungewöhnlichen Projekt.
Bei einem guten Glas Bordeaux trug Dieter Alber-Bakonyi den Wunsch nach einer Pfeifenorgel an den Mühleisen-Mitarbeiter Lukas Degler heran, der sich daraufhin mit Feuer und Flamme an die Ausarbeitung von Ideen machte. Als Basis dieser zukünftigen Üb-, Begleitungs- und Konzertorgel stand ein Instrument der Firma Weigle aus dem Jahr 1966 zur Verfügung, dessen ehemalige Heimat, die Evangelisch-methodistische Kirche in Köngen, aufgelöst und entwidmet wurde. Beim Umbau und der Neuintonation waren dabei mehrere Parameter zu berücksichtigen:

  • Das Instrument sollte als Kunstwerk das Auge erfreuen und den nüchternen Probensaal angemessen aufwerten.
  • Eine größtmögliche Flexibilität und Profilierung sollte aus jedem Register herausgearbeitet werden.
  • Das Temperierungssystem und die Windanlage sollten dem Orgelklang zu einer wohltuenden und natürlichen Lebendigkeit verhelfen.
  • Ein milder, kammermusikalischer Gesamteindruck sollte im Vordergrund stehen.

Als Farbfassung wurde eine Schwammtechnik mit Kreidefarben ausgewählt, welche die Oberfläche strukturiert wirken lässt. Neu hinzugekommen sind die plastisch gestalteten Schleierbretter, deren Bohrungen einzeln silbern ausgestrichen wurden, um einen dezenten Leuchteffekt zu erzielen. Die Schleier strecken die Gesamtproportionen der Orgel und ändern deren Wirkung vom Eckmöbel hin zum eigenständigen, künstlerisch behandelten Objekt. Hinter den Pfeifenfüßen wurden Sicht- und Schallblenden montiert, sie sind mit rotem Rupfen bespannt und herausnehmbar. Die alten, regulierenden Schwimmerbälge wurden zugunsten einer frei atmenden Windanlage mit einem zentralen Keilbalg aufgegeben, zwei kleine Stoßfänger in den Manualladen sorgen für die nötige Stabilität im vollen Werk. Die ehemals zähe Tontraktur wurde mit Hilfe von doppelt belederten Ventilen und allerlei anderen Kunstgriffen zu einer spielfreudigen und artikulationsfähigen Traktur verbessert.
Durch geschickte Umstellung auf den Windladen konnten zwei streichende Register in 8´- und 4´- Lage untergebracht werden, ersteres C-H mit Haskellkröpfung. Die Mixtur des Hauptwerks wurde in eine dreifache (quintbetonte) und eine zweifache (terzbetonte) Klangfarbe zerlegt, die Mechanik ist als Vorabzug ausgeführt. Die gedeckte Flöte 8´ des ersten Manuals konnte ab gis1 offen weitergeführt werden, ihr poetischer Klang erinnert nun an eine innenlabierte Holzflöte 8´ romantischer Prägung. Durch den bewusst niedrig gewählten Winddruck kann sich der Klang sehr frei und ohne jede Anstrengung entfalten. Den quintierenden Gedacktstimmen konnte mit einer  Aufschnittserhöhung zu mehr Grundton, dem Gemsbass 8´ durch Kastenbärte zu mehr Strich verholfen werden. Dem berechtigten Wunsch nach einem Zungenregister wurde entsprochen, allerdings mochten sich die ursprüngliche angedachten Pfeifen eines Regal 8´ bzw. Krummhorn 8´ nicht so recht mit der Windlade anfreunden. Um die störenden Resonanzen auszuschließen und ein noch vielseitigeres, weiches Klangbild zu erreichen, wurde der Entschluss gefasst: „Noo muss halt a Trompet nei!“ Im privaten Lager des Kollegen fand sich ein geeignetes Exemplar; die sehr schlanke Bechermensur entsprach genau den Vorstellungen eines offenen, runden Trompetenklanges und passte dadurch sogar ab C in die Orgel. Ein übriggebliebener Fußhebel wurde unter den skeptischen Blicken des Auftraggebers zur Einschaltung einer pneumatisch gesteuerten „La force“ nach Gabler‘schem Vorbild umgebaut. 24 Pfeifen vom 10 2/3´ bis zum 1/4´ bereichern nun das Plenum auf der Pedaltaste C mit einem 32´. Der freundliche, mild-strahlende Klang mit seinem charakteristischen Terzplenum, den lispelnden Streichern und sanften Flöten animierte zu einem Namen, der in kurzer Zeit schon viele Freunde gefunden hat: Gerlinde! (Bitte schwäbisch auf der ersten Silbe betonen!).  Wir danken Dieter Alber-Bakonyi sowie allen Helfer*innen für ihre tatkräftige Unterstützung, die permanente Verpflegung und besonders für die ausdauernde Geduld, wenn der Orgelbauer immer noch nicht ganz zufrieden war und nochmals etwas an Gerlinde verfeinern wollte.


I HAUPTWERK C-g’’’
Bordunflaut   8'
Violoncell   8'
Principal   4'
Octav   2'
Mixtur-Zimbl 3f. + 2f.   1 1/3'
II POSITIV C-g’’’
Holzcopl   8'
Rohrflaut   4'
Violdigamb   4'
Gemsflaut   2'
Trompet douce   8'
PEDAL C-f’
Subbaß   16'
Gemsbaß   8'
Spitzflaut   4'

Normalkoppeln
Tremulant für beide Manualwerke
La force
Winddruck 45mmWS
Temperierung: Degler 2 „Frühromantik“