Die 1937 errichtete Weise-Orgel in der Kirche Mariä Himmelfahrt der Landshuter Zisterzienserinnen-Abtei Seligenthal ist ein interessantes und qualitätvolles Dokument des Orgelbaus der 30er Jahre. Für die Mitarbeiter*innen unserer Werkstatt war es eine besondere und angenehme Aufgabe, im Klausurbereich von Kloster Seligenthal arbeiten zu dürfen. Als wir einer der fröhlichen Schwestern gegenüber unsere Dortmunder Orgeln Claire und Isolde erwähnten, war schnell klar, dass auch die Klosterorgel einen Namen brauchte. Für dieses Instrument scheint uns der Name „Veronika“ angemessen zu sein.
Das gesamte Langhaus der großzügig dimensionierten Barockkirche wird von der Empore überspannt, auf der sich den Blicken von unten entzogen der Chorbereich des Konvents befindet. Dort ist auf einer weiteren Empore die aus dem Gemeinderaum ebenfalls nahezu unsichtbare Veronika platziert, deren Doppelfunktion in der Anlage und Intonation ihrer Register klar zum Ausdruck kommt: einerseits finden sich in ihr wunderbar zarte, leise Farben zur Begleitung des Stundengebetes, andererseits gibt es kontrastierend dazu einen starken Prinzipalchor, dem im Verbund mit den drei feierlichen Trompeten des Schwellwerks (16‘ in voller Länge!) die Aufgabe zukommt, auch im Gemeinderaum als eindrucksvolle „große Orgel“ wirken zu können, wenngleich ihr Donner durch die unvermeidlich indirekte Klangabstrahlung dorthin gefiltert wird. Passend zu ihrem Baujahr handelt es sich um eine elektropneumatische Kegelladenorgel, wobei das Hauptwerk zur Nutzung bei Stromausfall von einem putzigen pneumatischen Notspieltisch aus zum Klingen gebracht werden kann, der sich sogar zum vierhändigen Musizieren auf zwei Spieltischen eignet. Disposition und Intonation lassen die deutlich romantischen Wurzeln erkennen, die durch Aliquoten, hochliegende Flöten und Mixturen am ehesten nach elsässischem Vorbild ihre Weiterentwicklung suchen – und das auf sehr aparte Weise. Alle Windladen sind auf Sturz angeordnet, auf der Südseite befinden sich Hauptwerk (außen) und Pedal, im Norden das große Schwellwerk mit dem Oktavbass als Prospekt.
Unsere Arbeiten erstreckten sich auf die fällige Hauptausreinigung, auf Verbesserungen der Stimmzugänge, die Ertüchtigung elektrischer, teils brandgefährdeter Bauteile und auf den Einbau einer Setzeranlage für den Chorspieltisch, von dem aus man zuvor die Schwelljalousien nicht bedienen konnte. Der Hauptspieltisch auf der Empore blieb auch aus denkmalpflegerischen Gründen optisch unangetastet, im Inneren wurden die Textil-Kabel ausgetauscht. Die Windanlage erforderte eine Abdichtung sowie die Neubelederung aller Magazinbälge. Durch die Neulackierung ihres eleganten Freipfeifenprospektes hat sich Veronikas Zustand auch optisch verändert. Den Abschluss unserer Arbeiten, die von Gerhard Siegl als OSV begleitet wurden, bildete eine sorgfältige Nachintonation aller Register.


I HAUPTWERK C-g’’’
Rohrflöte   16'
Prinzipal   8'
Flöte   8'
Rohr-Gedeckt   8'
Dulciana   8'
Oktav   4'
Klein-Gedeckt   4'
Oktav   2'
Mixtur 5f.   1 1/3'
Oboe   8'
II SCHWELLWERK C-g’’’
Geigen-Prinzipal   8'
Liebl. Gedeckt   8'
Quintatön   8'
Salizional   8'
Vox celestis 1 8'
Italien. Prinzipal   4'
Travers-Flöte   4'
Rohrquint   2 2/3'
Schwiegel   2'
Blockflöte   1'
Cymbel 3-4f.  
Tuba magna   16'
Trompete   8'
Clairon   4'
Tremulant  
PEDAL C-f1
Violon-Bass   16'
Subbass   16'
Zartbass 2 16'
Oktavbass   8'
Choralbass   4'
Nachthorn   2'
Posaune   16'

1 schaltet Salizional mit ein

2 Windabschwächung

Normalkoppeln plus ausgebaute Oberoktavkoppel II/I
eine freie Kombination, MF, T, Crescendo ab, Zungen ab, Zungenchor, Automatikpedal
elektropneumatische Kegelladen
zusätzlicher Spieltisch mit einer freien Kombination und Setzeranlage im Chorraum der Kirche

Winddrücke: HW 90 mmWS, PED 90 mmWS, SW 95 mmWS, Zungenlade SW 140 mmWS
Temperierung: modifizierte Gleichstufigkeit nach eigenem System