Bereits in der frühen Planungsphase der heutigen Stiftskirchenorgel legte die Sachverständigenkommission, bestehend aus Stiftsorganist Kay Johannsen, Prof. Volker Lutz, KMD Burkhart Goethe und Prof. Jon Laukvik, drei deutliche Akzente als Kern der klanglichen Konzeption fest: die Musik J. S. Bachs, die deutsche Romantik und die Eignung zur Improvisation. Damit wurde ein weiträumiges Feld abgesteckt, das von den Bach´schen Vorlieben für Gravität, Lieblichkeit und Schärfe (wir sagen heute lieber Tragfähigkeit, Poesie und Brillianz) über die hochmischfähigen und dabei dynamisch bis in die Extreme ausgeweiteten raffinierten Farben der Romantik bis hin zu experimentell-phantasieanregenden Möglichkeiten der Moderne reicht. Die ab der Barockzeit in Süddeutschland kultivierte Grundstimmenpalette war hier wesentlicher Ausgangspunkt der dispositionellen Überlegungen, nähert sie sich doch den Bach bekannten mitteldeutschen Orgeln ebenso an wie den späteren Entwicklungen des 19. Jahrhunderts.
Die gewählten Schwerpunkte spiegeln sich in der räumlichen Anordnung der Teilwerke wider: die „klassische“ Orgel, bestehend aus Hauptwerk, Rückpositiv und Pedaltürmen, nimmt ihren Platz vor dem Turmbogen auf der Empore ein und spricht damit direkt in den Raum. Das Schwellpositiv befindet sich hinter dem Hauptwerk unter dem Turmbogen und kann bei Bedarf die Funktion eines klassischen dritten Manuals übernehmen. Schwellwerk und Großpedal sind im Turmraum untergebracht und entfalten von hier aus ihre symphonischen Qualitäten. Natürlich können und sollen klassische und symphonische Funktionen nicht strikt voneinander getrennt werden, sondern sie verschränken sich in allen Teilwerken sinnvoll zu einer klanglichen Synthese ganz eigenen Charakters. Deutlich wahrnehmbar wird dies z.B. im Crescendo, das im äußersten Pianissimo des geschlossenen Schwellwerks, begleitet vom Harmonikabass, beginnen kann und über das Schwellpositiv bis zu Hauptwerk und Rückpositiv fortschreitet: ein klangliches Ereignis, das nicht nur an Lautstärke, sondern durch die räumliche Staffelung der Teilwerke auch an Präsenz zunimmt.
Die Konzertprogramme belegen immer wieder sehr eindrucksvoll, dass die differenzierten Möglichkeiten dieser Orgel nicht nur Bach und der deutschen Romantik entgegen kommen, sondern auch stilistisch andersgeartete Musik, wie z.B. die französische Symphonik, sehr vorteilhaft in Klänge zu kleiden vermögen. Für neue Musik und Improvisationen bietet diese Orgel eine inspirierende Basis, die durch Winddrosseln und effektvolle Schlagwerke zusätzlich bereichert wird.
Der filigrane und aufstrebend gestaltete Prospekt, der wie die ganze Orgelarchitektur in Zusammenarbeit mit dem für die gesamte Neugestaltung der Stiftskirche beauftragten Architekten Prof. Bernhard Hirche aus Hamburg entwickelt wurde, lässt die Teilwerke der klassischen Orgel erkennen; die Schrägansicht in den Turmraum gewährt Blick auf Basspfeifen des Großpedals, deren monumentale Größe ihren Klang optisch vorwegnehmen.
Die Stiftskirchenorgel ist aufgrund ihres häufigen Einsatzes in Gottesdiensten und Konzerten vermutlich diejenige Mühleisen-Orgel mit dem höchsten Bekanntheitsgrad geworden. Regelmäßig spielen namhafte Musikerinnen und Musiker dieses Instrument, und die positiven Rückmeldungen, die uns häufig erreichen, freuen uns sehr, weil sie zeigen, dass diese Orgel sowohl Musizierende als auch Hörende anspricht.


HAUPTWERK II C-a'''
Principal   16'
Bordun   16'
Principal   8'
Flûte harmonique   8'
Gemshorn   8'
Rohrflöte   8'
Viola da Gamba   8'
Octave   4'
Tibia   4'
Quinte   2 2/3'
Octave   2'
Mixtur maior 45f   2 2/3'
Mixtur minor 5f.   2'
Cornett 5f. 3
Trompete   16'
Trompete   8'
Chamade   8'
Zimbelstern  
RÜCKPOSITIV I C-a'''
Principal   8'
Bifara 3 8'
Gedeckt   8'
Quintade 1 8'
Octave   4'
Rohrflöte   4'
Sesquialtera 2f.  
Octave   2'
Flöte   2'
Quinte   1 1/3'
Scharff 4f   1 1/3'
Fagott   16'
Trompete   8'
Krummhorn   8'
Glockenspiel   c°-d'
Tremulant  
PEDAL C-f '
Principal 1 32'
Grand Bourdon 1 32'
Principal   16'
Subbass 1 16'
Offenbass 1 16'
Harmonikabass   16'
Octavbass   8'
Bourdon   8'
Violoncell   8'
Quinte   5 1/3'
Choralbass   4'
Hintersatz 4f   2 2/3'
Kontraposaune 1 32'
Posaune   16'
Fagott   16'
Trompete   8'
Clarine   4'
SCHWELLPOSITIV III C-a'''
Salicional   16'
Principal   8'
Concertflöte   8'
Salicional   8'
Unda maris 2 8'
Bourdon   8'
Principal   4'
Traversflöte   4'
Nasard   2 2/3'
Waldflöte   2'
Terz   1 3/5'
Septime   1 1/7''
Piccolo   1'
Mixtur 4f.   2'
Trompete   8'
Clarinette mit Windschweller   8'
Vox humana   8'
Röhrenglocken   G-g'
Tremulant  
SCHWELLWERK IV C-a'''
Lieblich Gedeckt   16'
Geigenprincipal 1 8'
Holzflöte 1 8'
Lieblich Gedeckt   8'
Gamba   8'
Aeoline   8'
Vox coelestis 2 8'
Principal   4'
Fugara   4'
Flûte octav   4'
Flautino   2'
Progressio  
harmonica 2-6f.   2 2/3'
Tuba   16'
Trompette harm.   8'
Oboe   8'
Clairon   4'
Tremulant  

1 ganz oder teilweise aus der Vorgängerorgel

2 ab c°

3 ab g°

KOPPELN:
Mechanische und ( für SW IV. Manual ) elektr.
Koppeln:
I/II, III/II, IV/II, III/I, IV/I, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P, IV/IV 4', IV/IV 16', IV/III 16', IV/II 16', III/III 16', IV/P 4'

Mechanische Schleifladen (Grosspedal el.- pneumatische Kegelladen von 1958)
Mechanische Registertraktur Setzeranlage mit 30 Ebenen à 999 Kombinationen und Diskettenlaufwerk
Walze für Registercrescendo Züge für Koppeln, Mixturen, Zungen aus Walze
Werkweise Registerabsteller
Züge für elektronische Winddrosseln jeweils für Grosspedal und SW III und IV, sowie für HW, Hauptpedal und RP
Sordino für Röhrenglocken